Kapitel 2
2. Allgemeines zu IPSS
2.1 Definition der grundlegenden Begriffe
Bevor die Literaturübersicht vorgestellt wird, erfolgen die Definitionen der grundlegenden Begriffe.
Die Begriffsvielfalt in der Integration von Sach- und Dienstleistungen werden durch verschiedene Studien verdeutlicht (Backhaus und Kleikamp, 2001, S. 75; Spath und Demuß, 2006, S. 473). Der Begriff Servitization, als ingenieurwissenschaftlicher Begriff für kovalente Produkte, bezeichnet den Wandel des Unternehmens vom Sach- zum Dienstleistungsanbieter (Weber et al., 2002, S. 61). Dazu vertreibt das Unternehmen umfassende Gesamtlösungen, sodass die Dienstleistung hinter dem Produkt an Bedeutung zunimmt (Vandermerwe und Rada, 1988, S. 315). Produkt-Service-Systeme (PSS) sind Ausprägungen des Servitization (Uhlmann und Meier, 2017, S. 8 ). Die PSS, auf die sich die Industriellen Produkt-Service Systeme (IPSS) beziehen, stellen eine Geschäftsbeziehung, wie z.B. Carsharing, von Unternehmen und Privatpersonen dar (Shaheen und Cohen, 2008, S. 86). Das Auto, als Beispielprodukt, steht dabei nicht mehr im Vordergrund, sondern das Nutzen des Produktes. Die IPSS, auch genannt hybride Leistungsbündel (HLB), bezeichnet PSS in Bezug auf industrielle Geschäftsbeziehungen, dass auch als Business-to-Business (B2B) bekannt ist (Uhlmann und Meier, 2017, S. 8 ). In der betriebswirtschaftlichen Literatur werden verschiedene Bezeichnungen für IPSS genutzt. Synonyme sind hierbei Compack, Leistungssystem und Verbundsystem (Bressand, 1986, S. 76; Belz et al., 1991, S. 54; Corsten und Gössinger, 2007, S. 24). Als deutschsprachige Begriffe werden unteranderem noch die Fachausdrücke Innovationen mit Dienstleistung und Hybride Produkte verwendet (Korell und Ganz, 2000, S. 153; Zahn et al., 2004, S. 205; Kersten et al., 2006, S. 198; Böhmann und Krcmar, 2006, S. 90; Thomas et al., 2007, S. 403). Amerikanische Begrifflichkeiten sind in dem Zuge New Service Development und Service Engineering (Scheuing und Johnson, 1989, S. 26; Edvardsson und Olsson, 1996, S. 151; DIN, 1998 S. 23; Bullinger und Scheer, 2006, S. 3). IPSS beschreibt eine Integration externer Informationen mit unterschiedlich hohen Anteilen von immateriellen und materiellen Komponenten im Leistungsergebnis (Kleinaltenkamp, 2001, S. 38). Dabei trennt ein Klassifikationssystem die Dienstleistungs- und Sachleistungsmerkmale (Steinbach, 2005, S. 130 ff.; Steinbach et al, 2005, S. 548; Botta, 2007, S. 72 ff.). Die IPSS besteht aus den integrierten, zusammenwirkenden Attributen Planung, Entwicklung, Erbringung und Nutzung von Sach- und Dienstleistungen (Meier, 2012, S. 1). Hierbei wird das Produkt mit Dienstleistungen verknüpft, die kundenspezifische Lösungsangebote beinhalten (Bochnig et al., 2013, S. 521 f.). Die Integration von Sach- und Dienstleistungen führt zu höheren Kundennutzen, da die IPSS sich individuell auf die Kundenbedürfnisse anpassen (Boßlau et al., 2017, S. 299). Dabei wird nicht nur der Kundennutzen, sondern auch ein Nutzen für das IPSS-anbietende Unternehmen generiert (Kowalkowski, 2010, S. 291). Diese Nutzengenerierung wird als „co-creation of value“ definiert (Cova und Salle, 2008, S. 270 f.). Mithilfe dessen, stellt der IPSS-Anbieter dem Kunden einen zusätzlichen immateriellen Nutzen bereit, dass sich von der Konkurrenz, die ausschließlich Sachleistungen anbietet, abhebt (Backhaus et al., 2010, S. 3 f.). IPSS wird als Synonym für eine lebenszyklusübergreifende Wertschöpfungskette aus Partnerschaften verwendet (Boßlau et al. 2017, S. 301). Um die IPSS einzuführen, werden Geschäftsmodelle benötigt, die die Prozesse umfassend beschreiben (Boßlau et al., 2017, S. 300).
Nach Teece (2010, S. 172 ff.) existiert keine offiziell anerkannte Definition des Geschäftsmodells, sodass verschiedene Definitionsansätze in der Literatur vorzufinden sind (Morris et al., 2005, S. 726). Nach Rese et al. (2011, S. 498 f.) sind Geschäftsmodelle, Geschäftsbeziehungen von Anbieter, Kunde und anderen Geschäftspartnern im IPSS-Lebenszyklus, die das Nutzen und Risiko für alle Geschäftspartner beschreibt. Um den Begriff der Geschäftsmodelle zu verdeutlichen, werden weitere drei Studien herangezogen, die sich mit IPSS beschäftigt haben (Backhaus et al., 2010 S. 5 f.; Boßlau et al., 2017, S. 300 f.; Uhlmann und Meier, 2017, S. 4 ff.). Backhaus et al. (2010, S. 5 f.) gehen davon aus, dass es Geschäftsmodelle in verschiedenen Arten und Formen gibt, sodass sie sich auf einfache, als auch auf komplexe Produktangebote beziehen, vgl. Abbildung 1.
Diese haben das Ziel, die Vorgehensweise einer Geschäftstätigkeit anhand eines Plans darzustellen (Backhaus et al., 2010, S. 6).

Abbildung 1: Stufen der industriellen Geschäftsmodelle
Abbildung 1 ist eine eigene Darstellung der Stufen der industriellen Geschäftsmodelle in Anlehnung an Meier et. al. (2005, S. 529 f.), auf die sich Backhaus et al. (2010, S. 7) stützen. Dabei werden die Geschäftsmodelle von links nach rechts dargestellt, wobei die Komplexität und die nötige Individualisierung je Modell zunimmt. Das erste Geschäftsmodell betrachtet das Wirtschaftsgut bzw. die Dienstleistung einzeln. Hier wird von der niedrigsten Komplexität ausgegangen. Des Weiteren folgt das Wirtschaftsgut mit einfachem Service. Diese kann z.B. ein Wirtschaftsgut mit Wartung- oder Reparaturgarantie sein. Als drittes wird das Geschäftsmodell für Wirtschaftsgütern mit mittleren Service dargestellt. Dies kann z.B. ein Wirtschaftsgut mit Rückerstattungsgarantie sein. Als Letztes folgt das Geschäftsmodell mit der höchsten Komplexität und dem größten Individualisierungsaufwand. Ein Beispiel ist ein Wirtschaftsgut inklusive Ergebnisgarantie (Backhaus, 2010, S. 7).
In Anlehnung an Meier et. al. (2005, S. 531) unterteilen Uhlmann und Meier (2017, S. 9) IPSS-Geschäftsmodelle in drei Arten, dass zum Ziel hat, den Kundennutzen darzustellen. Diese sind funktions-, verfügbarkeits- und ergebnisorientiert. In früheren Studien werden jedoch nur zwischen den letzten beiden genannten Arten unterschieden (Richter, 2010, S. 1). Das funktionsorientierte Geschäftsmodell setzt die Schuld der Sachleistung beim Kunden voraus, sodass ausschließlich die Dienstleistung vom IPSS-Anbieter folgt. Im verfügbarkeitsorientierten Fall verpflichtet sich das Unternehmen der IPSS, Dienstleistungen und teilweise Sachleistungen zur Verfügung zu stellen. Dabei übernimmt der Anbieter ein Teil des Produktionsrisikos. Das ergebnisorientierte Geschäftsmodell geht davon aus, dass der IPSS-Anbieter die volle Verantwortung der Produktion übernimmt. Hierbei verspricht das Unternehmen dem Kunden, das festgesetzte Ziel zu erreichen. Demnach stehen Dienstleistung bzw. der Service im Vordergrund und nicht mehr das Produkt selbst (Uhlmann und Meier, 2017, S. 9). Die eigene Darstellung, Abbildung 2, in Anlehnung an Uhlmann und Meier (2017, S. 9) illustriert die vorgestellten Ausprägungen von IPSS-Geschäftsmodellen.

Abbildung 2: Ausprägungen der IPSS-Geschäftsmodelle
Darauf aufbauend haben Boßlau et al. (2017, S. 300 f.) eine Definition für das IPSS-Geschäftsmodell entwickelt, dass den industriellen Kontext verdeutlichen soll. Hierbei sollen die Geschäftsmodelle, aufgrund der Individualität des Kunden, angepasst werden. Dabei liegt der Fokus des IPSS-Geschäftsmodells auf die Geschäftsbeziehungen des Unternehmens und wird wie folgt definiert. Das IPSS-Geschäftsmodell hat das Ziel, den Kundennutzen der problemlösenden Dienstleistung darzustellen, dass durch die unternehmerischen Beziehungen von Anbieter, Kunde und zukünftigen Geschäftspartnern resultiert (Boßlau et al, 2017, S. 303).
Des Weiteren werden in der Literatur die Begriffe Solution Selling und Integrated Solutions definiert. Diese beiden Begriffe bezeichnen individuelle Kundenangebote, aus Sach- und Dienstleistungen, für verschiedene Probleme (Evanschitzky et al., 2011, S. 657 f.). Dabei werden an den Kunden angepasste Lösungen bis zum Ende des Produkt-Lebenszyklus angeboten (Sawhney, 2006, S. 379).